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Mit Factory-X in die digitale Fertigung – ohne Big-Bang-Transformation

Wie produzierende Mittelständler von modularen Lösungen, Retrofit und Quick Wins profitieren

Factory-X: Wie der Mittelstand erfolgreich einsteigen kann
11.06.2025
Digitale Transformation
Innovation
Fertigungsindustrie

Factory-X eröffnet dem Mittelstand den Weg zur digitalen Fertigung – modular, sicher und wirtschaftlich. Mein Blogartikel zeigt auf, wie kleine und mittlere Produktionsunternehmen jetzt von Retrofit, Datenhoheit und schnellen Erfolgen profitieren können – ohne Komplettumbau der IT.

Schrittweise Digitalisierung statt Komplettumbau

Viele mittelständische Unternehmen stehen digitalen Initiativen oft skeptisch gegenüber. Die Angst vor kostspieligen IT-Umbrüchen, unsicherem ROI und komplexen Integrationen ist weit verbreitet. Genau hier setzt Factory-X mit einem modularen Konzept an. Statt eines umfassenden Umbaus bietet die Initiative praxisnahe Lösungen, die entlang konkreter Anwendungsfälle schrittweise eingeführt werden können.

 

Das Ziel: Ein niedrigschwelliger, aber zukunftssicherer Zugang zu digitalen Datenräumen und Industrie-4.0-Standards. So wird Digitalisierung für kleine und mittelständische Unternehmen, kurz KMU, planbar und umsetzbar- und ist darüber hinaus wirtschaftlich. Gleichzeitig bietet der modulare Aufbau Flexibilität: Unternehmen können je nach digitalem Reifegrad und strategischem Bedarf einzelne Bausteine gezielt auswählen und kombinieren – vom Pilotprojekt bis zum skalierbaren Gesamtkonzept.

Retrofit: Bestehende Infrastruktur nutzen

Ein häufiges Missverständnis: Um an der Initiative Factory-X teilzunehmen, braucht es neue Maschinen oder eine Cloud-native IT-Landschaft. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Das Konzept der Nachrüstung (Retrofit) ist ein zentrales Element, um bestehende Maschinenparks in digitale Abläufe einzubinden.

 

Sogenannte Starter-Sets – bestehend aus Sensorik, Konnektoren und Analysesoftware – ermöglichen die schnelle Anbindung von Maschinen, ohne tiefgreifende Eingriffe in die bestehende IT vorzunehmen. Besonders für Brownfield-Fabriken bietet sich damit ein realistischer, skalierbarer Weg in Richtung digitaler Souveränität. Auch hybride Szenarien sind möglich: Neue Anlagen können direkt eingebunden werden, während bestehende über Retrofit-Lösungen schrittweise folgen – mit voller Interoperabilität durch offene Standards.

Quelle: https://sora.chatgpt.com/
Quelle: https://sora.chatgpt.com/

Datenhoheit als zentrales Prinzip

Ein zentrales Anliegen vieler Mittelständler: Wer kontrolliert meine Daten, wenn ich mich vernetze? Die Architektur von Factory-X ist explizit dezentral und auf Datenhoheit und Datensouveränität ausgelegt. Unternehmen entscheiden selbst, welche Daten sie mit wem teilen – und zu welchen Bedingungen.

 

Technologien wie die Asset Administration Shell (AAS) (siehe auch Blogartikel: Was ist die Asset Administration Shell?), und der Eclipse Dataspace Connector (EDC) ermöglichen eine feingranulare Steuerung der Zugriffsrechte. Damit ist der Mittelstand nicht länger Bittsteller in digitalen Plattformen, sondern souveräner Akteur im Datenaustausch. Besonders wichtig: Die Daten verbleiben beim Eigentümer – kein zentraler Datenspeicher, keine unklare Rechtslage. Das schafft Vertrauen und die Grundlage für neue digitale Geschäftsmodelle.

Quick Wins durch gezielte Anwendungsfälle

Der vielleicht wichtigste Punkt: Factory-X ist nicht nur strategisch sinnvoll, sondern bringt auch kurzfristige operative Vorteile. Die Initiative umfasst elf spezifische Anwendungsfälle, die auf reale Herausforderungen der Fertigung abzielen.

Für den Mittelstand besonders interessant sind folgende Anwendungsfälle der Initiative

  1. Rückverfolgbarkeit (Usecase2.8): Verbesserte Transparenz in der Lieferkette
  2. Energie- und Lastmanagement (Usecase2.9): Senkung von Betriebskosten
  3. Informations-Updates (Usecase2.2): Reduzierter Aufwand für Softwarepflege
  4. Modulare Produktion (Usecase2.5): Schnellere Anpassung an wechselnde Anforderungen
  5. On-Demand Manufacturing (Usecase2.6): Bessere Kapazitätsauslastung durch Vernetzung

 

Diese Quick Wins lassen sich oft innerhalb von 6 bis 12 Monaten realisieren – ein Zeitrahmen, der auch unternehmensintern überzeugt. Erste Ergebnisse dienen dann als „interne Use Cases“, mit denen weitere digitale Vorhaben argumentativ gestützt werden können.

Compliance als strategische Chance

Ein zunehmend drückender Punkt für produzierende Unternehmen sind gesetzliche Anforderungen: CO2-Transparenz, Digitaler Produktpass, Lieferkettensorgfaltspflichten. Factory-X bietet Strukturen, um diese Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern daraus Wettbewerbsvorteile zu generieren.

 

Beispiel: Der Anwendungsfall "Carbon Footprint Management" unterstützt Unternehmen dabei, ihre Emissionen systematisch zu erfassen und zu berichten. Das schafft nicht nur Compliance, sondern auch neue Möglichkeiten zur Optimierung und Differenzierung am Markt. Die Integration dieser Funktionen in bestehende Prozesse erleichtert es KMU, regulatorische Vorgaben effizient umzusetzen, ohne eigene Speziallösungen aufbauen zu müssen.

 

Einstieg mit starken Partnern

Kein Mittelständler muss den Weg allein gehen. Das Factory-X-Umfeld bietet ein starkes Ökosystem aus Industrieverbänden, Forschungseinrichtungen und Lösungsanbietern. Initiativen wie SCALE-MX oder die Plattform Industrie 4.0 bieten praxisnahe Einstiegshilfen und Zugang zu Best Practices.

 

Unterstützung gibt es zudem durch den VDMA, die Open Industry 4.0 Alliance, die Gaia-X Hubs oder die SmartFactory-KL. Auch staatliche Förderprogramme (z. B. über das BMWK) helfen, Investitionshürden zu senken. Der Zugang zu einem solchen Netzwerk ermöglicht Wissenstransfer, Projektbegleitung und Risikominimierung.

 

Wichtig ist: Nicht die Technologie entscheidet über den Erfolg, sondern der konkrete Nutzen im Betrieb. Ein guter Einstieg beginnt mit der Identifikation eines klaren Engpasses und einem passenden, validierten Anwendungsfall. Wer hier klug priorisiert, spart Zeit, Kosten – und steigert die Wirkung der Digitalisierung nachhaltig.

Fazit: Mut zum ersten Schritt

 

Factory-X ist kein Leuchtturmprojekt für die Großen – sondern auch ein wirkungsvolles Werkzeug für den produzierenden Mittelstand. Gerade dieser profitiert von dem modularen, pragmatischen Ansatz. Wer mit Retrofit und Quick Wins startet, kann Digitalisierung im eigenen Tempo gestalten, Vertrauen aufbauen und echte Mehrwerte schaffen.

 

Die Grundvoraussetzung: Ein klarer Startpunkt, realistischer Scope und erfahrene Partner. Mit dieser Kombination kann der Mittelstand Factory-X nicht nur einführen – sondern als Wachstums- und Innovationsplattform aktiv nutzen.

 

Jetzt ist die Zeit, den ersten Schritt zu gehen. Mit klarer Orientierung, starken Partnern und einem Ziel: Die eigene Wettbewerbsfähigkeit in einer vernetzten Industrie sichern.

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Verfasst von

Fuhrmann, Johannes
Johannes Fuhrmann
Head of Strategic Business Development